Einem wöchentlichen Ritual gleich erreichten sie Ende vergangenen Jahres stets neue quantitative Höhepunkte: Die Massenproteste der sogenannten Gelbwesten in Frankreich. Ursprünglich gegen die von der Regierung Macron geplante Benzinpreiserhöhung ausgerichtet, fördern die Proteste unzufriedener Bürger diese Nomenklatura längst grundsätzlich heraus, ja stellen gar deren Existenz in Frage und lassen diesen Präsidenten in seiner Statthalterrolle Brüssels und Berlins auch physisch sichtbar altern.
Die Angst des Scheiterns ins Gesicht geschrieben verkündete Macron dann erst nach langem, offenbar unentschlossenen Schweigen, dass die für manchen Franzosen kaum noch erschwingliche Benzinpreiserhöhungen vorerst auf Eis gelegt würde. Auch wenn sich die Zahl der Manifestanten nach den milliardenschweren Versprechungen etwas verringerte, halten diese Proteste, welche sich zwischenzeitlich auch ins benachbarte frankophone Belgien, in die Wallonie und in die Niederlande ausweiteten, bis heute an und haben eine historische Tragweite erreicht, deren unmittelbare Folgen noch gar nicht absehbar sind und Vergleiche mit der französischen Revolution zulassen.
Was sich in Frankreich abspielt, könnte bald Nachahmer in anderen, insbesondere lateinischen Ländern Europas finden. Beflügelt durch den Brüsseler Sparzwang bleiben in diesen durch den Euro geschwächten Schwellenländern zu Afrika vor allem die sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten auf der Strecke. Rentner und Arbeitnehmer sollen also die Zeche für das «Friedensprojekt» Europa bezahlen; jene Bevölkerungssegmente, die zudem in direkter materieller Konkurrenz zu dem Zeitphänomen stehen, welches Europa seit 2015 zunehmend in einen kolonialen Vorhof Afrikas verwandelt. Die Gelbwesten-Bewegung – initiiert durch einige wenige, die sich dem Widerstand gegen ein staatliches Willkürregime verschrieben haben – fügt sich beinahe nahtlos in ein Bild von Strömungen wie die Pegida in Deutschland ein, deren Vorstellungen sich diametral von der Geisteshaltung der in den europäischen Hauptstädten herrschenden Eliten unterscheidet.
Vielleicht ist das, was sich gegenwärtig Bahn bricht, nur ein simples Vorspiel zu einer Entwicklung hin, an deren Ende die uns vertrauten Ordnungsmuster erodieren könnten. Das Scheitern bildungsbürgerlicher Lebensvorstellungen von einer grenzenlosen Solidarität und von angewandtem Humanismus mündet im Zwang, diese Utopien über den Tatendrang des Arbeiters indogener Prägung verwirklichen zu wollen. Ein Vorgang wiederum, der selbst in der Brüsseler EU-Zentrale den Glauben an ein schrankenloses Europa schwinden lässt.