Die Taliban sind zurück! Nach 20-jährigem hartnäckigen Widerstand gegen eine technologisch und auch zahlenmässig weit überlegene westlich-neokoloniale Kriegskoalition sind die sunnitischen «Gotteskrieger» aus den Stammesreihen der Paschtunen wieder an den Schalthebeln der Macht in Kabul. Nach den Briten im 18. Jahrhundert und dem sowjetischen «Experiment» in den 1980er-Jahren scheitert nun auch der Westen an den archaisch anmutenden Stammesstrukturen am Hindukusch. Dieser Sieg in ihrer Bergwelt haben die Taliban nicht nur den topographischen Verhältnissen vor Ort zu verdanken, mit denen sie sich weit besser zurechtfinden als die jeweiligen Besatzungstruppen sondern auch mit der Tatsache, dass sich diese westliche Koalitionsarmee unter anderen aus genau jenen Nationen zusammensetzte, welche einst die Grenzen, nicht nur am Hindukusch, völlig willkürlich gegen den Willen der ansässigen Bevölkerung nicht selten mitten durch Stammesgebiete zogen. Stämme wurden zerrissen und zwischen mehreren Staaten aufgeteilt. Die Stammesgebiete der Paschtunen, dieser kriegserprobten Volksgruppe, aus deren Reihen die Taliban über ein schier unerschöpfliches Rekrutierungs-Reservoir verfügen, erstreckt sich vom Süden Afghanistans bis nach Pakistan. Beides durch das British Empire geschaffene Vasallenstaaten, auch um damit die Macht der Stämme in der Region zu brechen. Beides Staaten Notabene, in welchen diese Taliban (zu deutsch: «Schüler») mit gütlicher Unterstützung durch mächtige Kreise aus Geheimdienst und Armee in Islamabad zu einem entscheidenden Machtfaktor in diesen Retorten-Gebilden selbst und darüber hinaus gewachsen sind. Dieser Triumph der «Gotteskrieger» ist nicht nur ein Sieg des Islam gegenüber dem arroganten Ansinnen des Westens ausgerechnet in dieser unwirklichen Weltgegend ein Staatsmodell europäsicher Prägung zu errichten sondern es ist auch ein Sieg einer tief im Volk verankerten Glaubenslehre gegen westliche Moralvorstellungen und den imaginären Bestrebungen diesen Völkern ein System überzustülpen, das gerade dabei ist, damit in der westlichen Hemisphäre selbst zu scheitern. Dass dieses Afghanistan beziehungsweise seine aus den Volksgruppen des Landes zusammengesetzte – durch den Westen allen voran die USA – hochgerüstete Armee, binnen weniger Wochen kampflos an die Fundamentalisten fiel, hängt entscheidend mit einer kompletten Fehleinschätzung der örtlichen Gegebenheiten und der Naivität westlicher Militärexperten, vor allem aber der Politiker auch hierzulande zusammen, diese Dinge aus einer einseitig westlichen Optik unter Ausschluss sowohl der ethnokulturellen als auch konfessionellen Realitäten zu betrachten. Ein Fiasko, das die durch Huntington beschriebenen Thesen von einem «Kampf der Kulturen» neue Nahrung liefert.